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Klettern in Belgien – Bier, gutes Essen und Felsen in lieblicher Landschaft

Wer ein paar Tage Zeit für einen Kletterausflug hat, dem kommt nicht automatisch Belgien als Reiseziel in den Sinn. Klettern in Belgien ist aber möglich. Ob es sinnvoll ist, deswegen dorthin zu fahren, das muss jeder für sich entscheiden. Ich habe es getan und ich werde es auf jeden Fall wieder tun. Und übrigens: dort geht man nicht Klettern, sondern Klimmen.

Bei uns am Ith, ist an langen Wochenenden regelmäßig holländisch an den Felsen zu hören. Allerdings braucht es für die Herkunftsbestimmung für gewöhnlich keine Hörprobe. Es reicht, die Augen offen zu halten. Ist eine gut behelmte (meist in diversen Orangetönen gehaltene) Gruppe zu sehen, dann ist es klar.

Also fast. Unklar bleibt, ob es Niederländer oder Belgier sind. Ehrlicherweise nehme ich vor Gruppen, egal wo sie herkommen, meist reißaus. Damit kann ich die Frage der Herkunft nicht so ganz genau beantworten. Und ehrlich, eigentlich wollte ich es bisher eh nicht wissen.

Doch nach meinen positiven Erfahrungen im Land der Schlümpfe, von Manneken Pis und der unendlich vielen Biersorten werde ich die nächste Gruppe ansprechen. Und sollten es Belgier sein, werde ich nach weiteren Tipps zum Klettern in ihrer Heimat fragen.

Die Frage bleibt allerdings bestehen:

Belgien-Brüssel-Manneken-Pis

Warum sollte man überhaupt zum Klettern nach Belgien fahren?

Bei mir ist es einfach, denn einen Teil meiner Familie hat es nach Brüssel verschlagen. Aus den bekannten Gründen waren Treffen in den letzten beiden Jahren schwierig. Doch nun planten wir einen Familienbesuch in Belgien. Dieser sollte aus den gleichen Gründen mehr einsame Landschaft und weniger große Stadt beinhalten.

Außerdem brauchte ich zumindest einen Klettertag in unbekanntem Terrain als Lockangebot, um Achim die Reise schmackhaft zu machen.

Klettern in Belgien – die Informationslage

Wer versucht, einen aktuellen Kletterführer über Belgien käuflich zu erwerben, wird vor Probleme gestellt. Schnell steht fest, es gibt einige auf Holländisch für jeweils einen einzelnen Felsen (zu Bestellen beim NKBV  – Nederlandse Klim- en Bergsport Vereniging  – nkbv(dot)nl). Die von bekannteren Kletterzielen gewohnte Vielfalt und Auswahl existiert nicht.

Update August 2024: Es gibt jetzt einen Kletterführer! Mehr dazu im Fazit.

Natürlich weiß ich aus zuverlässiger Quelle, dass Fryr das berühmteste und gleichzeitig größte belgische Klettergebiet ist. Kletterer, die auch sonst schon überall waren, sind auch dort gewesen. Vollständigkeit muss sein.

Belgien-Bier-Auswahl

So begann ich meine Suche nach Topo-Material bei genau solchen Kletterern. Einzig, einen Kletterführer oder ein Topo brachte mir das nicht ein. Wohl aber die Information, dass Fryr neulich in den 80er Jahren bereits eine ordentliche Portion Patina hatte. Als Ausgleich soll es äußerst idyllisch an der Maas liegen und sei in Bezug auf Ambiente-Kletterei, kaum zu übertreffen.

Es folgte eine Befragung des Internets: Auf der belgischen Website belclimb(dot)be findet sich eine, nach ihrer Aussage, vollständige Liste der Kletterführer aller bekletterbarer belgischen Felsen. Tatsächlich findet sich eine Riesenauswahl an Kletterführern. Die meisten davon erblickten im letzten Jahrtausend das Licht der Welt. Immerhin ist jetzt klar, Belgien hat deutlich mehr Felsen im Angebot als die in Fryr. Und bietet vor allem mehr Vielfalt als erwartet.

Warum allerdings das luxemburgische Berdorf in der vollständigen Liste aller belgischen Kletterführer enthalten ist, erschloss sich mir auf den ersten Blick nicht.

„Maike, das ist doch klar, es fängt beides mit Be an!“ Achim geht solche Dinge meist analytischer an als ich.

Zu guter Letzt fanden wir Topo-Infos über den Rochers de Sy (Klimgids Sy vom NKBV), Pepinster und Tilff (für beide gefunden auf der Website des belgischen Alpinclub in Liège) und erkoren die Region südlich von Liège zu unserem Kletterausflugsziel während des nächsten Familienbesuchs in Belgien.

Klettern in Belgien – die Rahmenbedingungen

Das Internet oder besser gesagt der Alpinclub in Liège sowie belclimb(dot)be weisen uns Kletterer darauf hin, dass es an den von uns gewählten Kletterfelsen Beschränkungen existieren. Damit der Zustieg reguliert werden kann, müssen sich Gruppen beispielsweise anmelden. Wir sind nur eine Seilschaft, das ist uns egal.

Jeder Kletterer muss Mitglied in einem vom UIAA anerkannten Bergsportverein sein. Ich habe es nicht nachgeschaut, aber ich vertraute auf den DAV. Der wird sich darum gekümmert haben. Der Mitgliedsausweis sei auf jeden Fall, immer am Körper zu tragen.

Zu guter Letzt: Das Tragen eines Helms sei obligatorisch. Dies, so wird es erklärt, weil Klettern mit einem Risiko behaftet sei (warum Autofahren oder Leben im Allgemeinen dann ohne Helm erlaubt ist, erschließt sich mir zwar nicht, aber naja).

Ich übernehme keine Haftung dafür, die auf Holländisch und Französisch zur Verfügung gestellten Informationen des worlwidewebs richtig übersetzt zu haben. Vielmehr gebe ich die Informationen nach meinem Verständnis wieder. Getreu dem Motto “lesen bildet” empfehle ich jedem Belgien-Kletter-Aspiranten die eigene Lektüre.

Klettern am Rochers de Sy

Spätestens bei der Ankunft am Hauptparkplatz muss eine jede Seilschaft die Entscheidung fällen: Klettern an den linken oder an den rechten Felsen? Beide sind nur wenige Gehminuten entfernt. Klettern in Belgien? Einige Entscheidungen werden per Münzwurf entschieden.

Auf dem Weg nach links erfreuten wir uns an den wenigen Autos. Vor unserem inneren Auge sahen wir einen erfüllten Klettertag an einem einsamen Fels. Gemütlich schlenderten wir vor uns hin bis wir,

„Klimmer, Klimmer!“

vernahmen.

Wir gingen weiter und waren schon bald von einer Horde, vorzugsweise in Orange, behelmter Kletterer umgeben. Jeder hatte ordentlich seinen Bergsportausweis an die Brust getackert und nuschelte irgendwas vor sich hin. Immer war das Wort „Klimmer“ Bestandteil der Nuschelei.

Zuerst ging es zum Rocher de Banc. Dort gibt es 19 Routen mit Schwierigkeitsgraden von 3 bis 6b. Der deutliche Schwerpunkt liegt im 3. und 4. Grad. Nahezu jeder Umlenker war belegt.

Wir gingen weiter Richtung La Cathédrale. Viele Zwei-Seillängen-Routen sind dort, deren Einstiegsseillängen die Kletterer mit Schwierigkeitsgraden zwischen 3+ und 6c erwarten. Also insgesamt ist der Fels etwas anspruchsvoller als es die Routen am Rochers de Banc sind. Bei den zweiten Seillängen ist keine schwerer als 5c. Auch hier war kaum eine Linie frei.

Es kam uns so vor als wenn wir heute mehr belgische und holländische Kletterer gesehen hätten als je zuvor in unserem Leben. Und am Ith sehen wir echt viele.

Ich konnte es allerdings gut verstehen, denn der Rocher de Banc sowie La Cathédrale liegen äußerst lieblich an dem Fluss Ourthe.

Diese plätscherte den ganzen Trubel ignorierend leise vor sich hin und lud zum Abkühlen der Getränke sowie der heißen Kletterpfoten ein. Die Südausrichtung der Felsen war Ende März ebenfalls kein Nachteil.

Nach wie vor ist die bisher nicht laut gestellte Frage: “Wie die Masse der Menschen mit den wenigen Autos vor Ort in Einklang zu bringen sind?” unbeantwortet. Echte Magier, diese Klimmer.

Wir entschieden uns nicht nur aus den bekannten Gründen gegen das hinein quetschen in die Menschenmassen. Auch sonst bevorzugen wir idyllische Kletterei.

Wir liefen zurück, am Auto vorbei und machten uns direkt weiter auf den Weg zum Rocher des Vignobles. Dieser liegt ebenfalls in freundlicher Südausrichtung an der Ourthe. Dafür ging es vom Hauptparkplatz nach rechts.

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Bereits nach wenigen Minuten strahlte uns der Felsen an. Und nur der Felsen. Wir waren die ersten Kletterer vor Ort. Beschweren werden wir uns darüber nicht. Bloß gewundert haben wir uns nach der Erfahrung auf der anderen Seite. Allerdings ist der Felsfuß nicht so gruppengeeignet wie auf der anderen Seite.

Klettern am Rochers de Sy – nun aber wirklich

Am Rocher des Vignobles können wir Kletterer uns über lange, vergleichsweise gut eingebohrte Routen mit vielen Schwierigkeitsgraden freuen. dort finden sich Ein- und Zwei-Seillängen-Routen. Insgesamt sind es 33 mit Schwierigkeitsgraden von 4 bis 7b(+) mit einer recht gleichmäßigen Verteilung über alle Grade. Die zweiten Seillängen sind im Schnitt schwerer.

Problemlos können sich Kletterer bis 6a+ hier ein, zwei Tage wunderbar austoben. Je nach individuellem Sicherungsbedürfnis schadet es allerdings nicht, zusätzlich noch einen Satz Klemmkeile und ein Paar Friends am Gurt zu haben. Wir konnten später auch noch Kletterer mit Rißhandschuhen beobachten, die könnten ebenfalls helfen.

Außerdem waren wir froh, entgegen der ersten Planung, das 70-Meter-Seil eingepackt zu haben. Das ermöglichte uns, in die langen Routen einzusteigen.

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Der Felsen zeigt eine gewisse Patina. Doch bei weitem nicht in einem den Kletterspaß beeinträchtigendem Ausmaß. Ich würde es eher als gut abgeklettert bezeichnen.

Aus unserer Sicht sind die Bewertungen teils etwas oldschool. In einer 4+ fragte ich mich an einer Stelle, ob ich das wirklich klettern kann. Ich erinnerte mich an Ganzkörpereinsatz in Sachsen und robbte mich irgendwie hoch und wurde nach dieser Schlüsselstelle mit wunderschöner Kletterei belohnt.

Eine 5b hingegen fühlte sich genauso an wie sie sich anfühlen sollte. Es bleibt also immer spannend beim Klettern.

„Klimmer! Klimmer!“

Nach getanem Kletterwerk ging es auf ein Bier in eine Brasserie am Hauptparkplatz. Wir wurden wieder mit Blick auf die Ourthe belohnt.

Und aus der Kategorie unnützes Wissen: Mittlerweile gibt es selbst in Belgien eine Auswahl an alkoholfreien lokalen Bieren.

Klettern in Belgien – Tilff und Pepinster

Da es eigentlich, also offiziell, ein Familienbesuch und kein Kletterurlaub war, waren unsere Klettertage begrenzt. Am Tag der Heimreise wollten wir noch einen Kletterstopp einlegen. Tilff lag auf dem Weg und die Papierlage war sehr ansprechend. Mehrere Sektoren und viele Routen bis 6a+, sollten dort zu finden sein.

Wie soll ich es sagen? Hier durften wir wieder ein besonderes Phänomen beobachten. Eines, das Länder, die sehr reichlich mit Felsen gesegnet sind, betrifft. Irgendwie werden immer die Felsen mit dem kürzesten Zustieg zum Einbohren ausgewählt.

Die freie Sicht auf die Autobahn oder Schnellstraße, von der man übrigens direkt auf den Parkplatz abbiegt, stört dabei nicht. Gern genommen ist auch noch eine Bahnlinie daneben, doch von der bekommt man glücklicherweise wegen des Autolärms nicht viel mit.

Die Österreicher haben dafür beispielsweise ebenfalls ein echtes Händchen. Bei den Belgiern hatte ich mir etwas anderes erhofft.

Beim Wandern mit der Familie in diesen Ardennen-Ausläufern konnte ich mich nicht satt sehen an den zahlreichen Felsen, die uns von allen Seiten entgegen lachten. Viele konnten früher beklettert werden, sind aber seit einigen Jahren aus Naturschutzgründen gesperrt.

Zurück nach Tilff. Zustiegsfreundlich ist das Klettergebiet direkt an der Schnellstraße gelegen. Bei einigen Routen steht der Sichernde auf dem Standstreifen. Daher wunderten wir uns nicht, dass wir das einzige Auto auf dem Parkplatz waren. Trotzdem redeten wir uns die Einsamkeit mit der Tatsache, dass es ein Montag war, schön. Hochmotiviert schauten wir uns den Fels an.

Geneigte Platten in einem alten Steinbruch soweit das Auge blickte …

… das sah ziemlich langweilig aus. Gemeinsam mit der Geräuschkulisse keine attraktive Option.

Schnell saßen wir wieder im Auto, um in Pepinster, das nach Papierlage auch sehr interessant aussah, ein Déjà-Vu zu erleben. Wobei, wenn ich müsste, dann würde ich Pepinster den Vorzug vor Tilff geben. Es ist ebenfalls ein alter Steinbruch mit geneigten Platten. Insgesamt etwas kleiner als Tilff, aber trotz der ganzen Rahmenbedingungen etwas idyllischer gelegen.

Wir entschieden, die Segel zu streichen und fuhren voller toller Erinnerungen an den Rochers de Sy im Herzen gen Heimat. On the road planten wir bereits den nächsten Kletterausflug nach Belgien.

Klettern in Belgien – Fazit

Der Rochers de Sy hat es mir mit seiner idyllischen Lage an der Ourthe und seinen schönen, nach Süden ausgerichteten Routen angetan. Wir werden wiederkommen und auch den Rest erkunden. Allerdings unter der Woche, am Wochenende werden wir es den lokalen, orange-behelmten Klimmern überlassen.

Ich freue mich darauf, mehr über das Klettern in Belgien zu erfahren. Es muss weitere schöne Klettergebiete geben, da bin ich mir sicher. Ich habe beim Wandern viele Felsen in der äußerst lieblichen Landschaft gesehen.

Belgien ist für sein großes Angebot an guten Restaurants bekannt. Auch das ist kein Nachteil für einen Kletter(kurz)urlaub.

Einzig, die Plattenschleicherei, die in den 80er hipp war, ist nichts für mich. Auch dann nicht, wenn sie verkehrsgünstig gelegen ist.

Nachtrag: Mittlerweile sind wir an einem Montag an La Cathédrale geklettert. Es war wirklich schön und vor allem einsam. Wir kommen wieder!

Update August 2024 – Es gibt einen Kletterführer!

Bernhard Nöhles hat mit viel Liebe und akribischer Recherche Informationen zusammengetragen und herausgekommen ist „Klettern im Tal der Ourthe und in den Nebengebieten“. Seine Ausführungen verdeutlichen, dass er ein echter Kenner der Region ist.

Im Kletterführer sind alle im Beitrag angesprochenen Klettergebiete zu finden – und noch viele mehr! Natürlich ziert der Kletterführer schon mein Bücherregal und ich freue mich jetzt schon auf den nächsten Klimmerausflug nach Belgien.

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