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Klettern am Sösestausee (Harz) oder die Schlammschlacht

Am Donnerstag hatte ich das Topo des neu eingerichteten Klettergartens am Sösestausee auf der Seite der IG Klettern Niedersachsen entdeckt. Klettern am Sösestausee – neue Felsen im Norden, das klingt interessant und dazu in gemäßigten Graden ohne zusätzliche mobile Sicherungen – das ist eine Einladung. Und Kletterurlaub ist dieses Jahr eh anders.

Freitagmorgen blickten wir aus dem Fenster und es sah freundlicher aus als der Wetterbericht uns die ganze Woche angekündigt hatte.
„Wollen wir heute in den Harz?“, fragte ich wissend, dass Achim einem Kletterausflug nie abgeneigt ist.
„Ja, lass uns den neuen Felsen begutachten.“

Die Klettersachen waren schnell gepackt und Achim freute sich auf mit Blick auf die 2,5 km Zustieg darüber, dass er keine Keile und Friends mitschleppen musste.

Auf der Autobahn zeigte unser Navi einen langen Stau an.
„Wollen wir doch nach Lüerdissen?“, Achim schaut mich fragend an.
„Jetzt haben wir die Keile im Keller gelassen“ und damit hatte sich die Frage erledigt. „Ach, lass uns den Stau umfahren, ich freue mich auf frischen Fels.“

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Den Verweis auf die Parkplatzsituation hatten wir gelesen und wir steuerten den Wanderparkplatz an. Der mit 2,5 km Länge beschriebene Zustieg klang nicht verlockend, immerhin weiß Kletterer dann, er klettert im Norden. Es war unser erster Klettertag nach einem zweiwöchigen Urlaub in Franken. Dort ist bei jedem Zustieg über 10 Minuten „wegen des langen Zustiegs ist man meist allein am Fels“ im Kletterführer vermerkt. Heute gingen wir aufgrund des Wochentages, der Neuheit des Topos UND der Zustiegssituation davon aus, den Fels für uns zu haben.

Klettern am Sösestausee – der Zustieg

Die Zustiegsbeschreibung auf dem Topo ist gut und schon bald waren wir im Wald. Es war bewölkt, doch angenehm warm. Die ersten 400 Meter verliefen problemlos, der Waldboden war feucht, aber gut zu begehen. Es kam der erste Abzweig und hier waren wir heute die nicht die ersten. Wir schauten uns an, „vielleicht doch Lüerdissen“-Gedankenfetzen wabberten zwischen uns hin und her.

Vor uns muss ein Monstertrecker den Weg genommen haben. Rechts und links tiefe Spurrillen, die teilweise mit Wasser vollgelaufen waren und in der Mitte eine überwucherter, wenig einladender Grat.

„Heute ist Freitag, die starken Gewitter waren am letzen Wochenende – hättest du damit gerechnet?“, fragend schaute ich Achim an.
„Nein, die Gewitter hatte ich gar nicht mehr im Blick. Allerdings wäre der Weg ohne die Treckerspuren auch um einiges angenehmer.“

„Mit dem Wissen hätte ich die alten Zustiegsschuhe angezogen“, sagte ich und stapfte weiter. Es ging eine ganze Weile hoch und runter. Mal konnten wir in der Mitte den Grat nutzen, mal nicht. Immer wieder schlunzten die Schuhe durch den Matsch. Das schöne ist, sind sie erst eingesaut, ist es irgendwie egal. Irgendwann waren die Socken ebenfalls nass, glücklicherweise ist Sommer.

Es folgten Passagen durch Pfützen mit Kieseln und Brettern, klettern über umgestürzte Bäume und rutschige Passagen über Holzkonstrukte und gerade als Achim auf dem Handy schauen wollte, ob wir die 2,5 Kilometer nicht endlich hinter uns hätten, tauchte der Felsen vor uns auf. Kurz zuvor waren wir an einer Picknickstelle vorbei gekommen, hat bis auf die Straße vor der Nase etwas Idyllisches.

Kurzum, der Zustieg hat viel mit dem Na Pali Coast (Kalalau) Trail auf Kauai gemein, bis auf den Ausblick auf den Pazifik natürlich. Der ist im Harz nicht zu finden und der Stausee lugt nur selten zwischen den Bäumen durch, doch es geht auf und ab, der Weg ist sowohl schlammig als auch rutschig und am Ende wartet ein Picknickplatz.

Ankommen am Fels – also am Steinbruch

Ich schaute den Fels an und ich erinnerte mich, warum ich Steinbrüche meide. Meine Erfahrung mit Steinbrüchen habe ich vor allem in Gimmeldingen (Pfälzer Wald) gesammelt und dort sieht es ähnlich aus. Glatte Wände – optisch schön, es fehlen aber einfach die griffigen Strukturen, die wir Kletterer so lieben. Dieses wird ausgeglichen durch fehlende Reibung. Der Steinbruch behält beides vermutlich aus egoistischen Gründen für sich.

Die Griff- und Trittarmut finde ich ebenfalls nicht erstrebenswert. Die glatten Flächen werden durch Absätze unterbrochen, die als Griffe und Tritte dienen. Wie in der Kletterhalle gilt es, die zu nutzen oder (klettertechnisch) zu verhungern.

Nachdem wir uns durch den Schlamm gekämpft hatten, wollten wir nun klettern. Meine Freude über unbekannten Fels überwog die Erkenntnis, dass der frische Fels ein Steinbruch ist.

Wir schauten uns wieder unsere Zustiegsschuhe an und freuten uns auf die sauberen und trockenen Kletterschuhe. Der Felsfuß ist leicht abschüssig und war noch feucht. An der Wand war ebenfalls nicht alles trocken.
„Achim, wir müssen uns unbedingt merken, dass der Fels hier nach Regen noch lange nass ist.“
„Der Fels scheint mir weniger das Problem als der Zustieg …“

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Endlich Klettern am Sösestausee

Ein paar der Routen waren sichtlich zu nass zum Klettern, doch jetzt waren wir hier und suchten uns die am wenigsten Feuchten aus. Mit Blick auf den Schlamm waren wir besonders froh, das alte Seil, das Sachsen und dem Harz vorbehalten ist, eingepackt zu haben.

Wir machten uns an die erste Route. Die Sösestiege sollte es sein, gut zum Eingehen ist vermerkt. Achim stieg vor und ich hörte gelegentlich ein gequältes Lachen und wollte gar nicht so genau wissen, was mich erwartet. Trotzdem fragte ich, „ist die Nässe ein Problem?“

Der Steinbruch steht im Wald und hat Bäume auf dem Felskopf. Die Gewitter hatten die Erde dermaßen aufgeweicht, ausgewaschen und auf die Kletterfelsen verteilt, dass es ernsthaft verwunderlich ist, dass oben noch Bäume stehen.

„Nein, Maike, die Nässe ist kein Problem, aber mit dem Schlamm am Fels ist es mit Reibung komplett vorbei. Und die Griffe sind nicht alle sauber“, Achim wanderte mit seinem Blick noch einmal die Route hoch, „und jetzt stehen die Kletterschuhe den Zustiegsschuhen optisch in nichts mehr nach.“ Nach genauerem hingucken eigentlich der ganze Achim nicht, doch das erwähnte ich nicht.

Ich bin im Nachstieg hinterher und nach zwei Metern war klar, ich kann die Schlammfinger mit gutem Gewissen an der Hose abwischen, die war eh dreckig. Das ließ sich beim Klettern nicht verhindern. Dann ins Chalk-bag greifen war seltsam, aber notwendig.

Schnell wusste ich, was Achim gemeint hatte. Nicht die Nässe ist das Problem, sondern der Schlamm auf den Felsen, der die eh nicht vorhandene Reibung zu einer echten Rutschpartie machte.

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Mit Ganzkörpereinsatz kämpfte ich mich hoch und ich muss dem Steinbruch zu Gute halten, ein paar schöne Moves waren dabei. Wieder unten bewunderte ich mein Outfit, „ich glaube mit Kaffee und Kuchen auf der Rückfahrt wird es heute nichts, so traue ich mich nirgends rein.“

Interessante Moves prägten unseren Klettertag, so erfreuten wir uns in Rot Händle an der Ruheposition. Ein Dank an den Namensgeber, damit war klar, in welche Richtung weitergeklettert werden muss.

„Wir sollten im Winter wiederkommen“, Achim blickte mich ernst an, „vielleicht hält der Fels im Winter besser, wie in England. Auch wird der Schlamm, wenn er gefroren ist, bestimmt griffiger sein.“

Den Senkrechtstarter hatten wir uns bis zum Schluss aufgehoben.

Kompromissloser Start ist im Topo vermerkt.

Ich würde eher sagen, „Zwergentod“.

Habe kurz überlegt, meinen Helm als Einstiegskiesel zu nehmen, um mit der linken Hand an den vermeintlichen Einstiegsgriff zu kommen.

Nach den vorherigen Erfahrungen mit dem bröseligen Fels behielt ich ihn lieber auf den Kopf und habe auf Achims Zugkraft vertraut.

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Achim ist überzeugt, es gibt eine einfache Lösung für den Einstieg (kompromisslos = einfach?). Vielleicht hat er recht und vielleicht entdecke ich bei der Beobachtung eines anderen Kletterers Griffe und Tritte, die sich mir nicht offenbart haben. Auf jeden Fall habe ich es irgendwie geschafft, am ersten Haken vorbei zum ersten Absatz zu kommen. Irgendwie heißt, es hatte nicht viel mit Klettern zu tun. Anschließend bin ich beim Topo-Autor: Eine schöne Route.

Der Zustieg kam uns lang vor. Auf dem Rückweg ließen wir das mobile Tracking mitlaufen. Unser Gefühl hat uns nicht getäuscht, es kamen drei Kilometer heraus …

Alles in allem …

.. ist der neue Fels sicherlich gut für einen Klettertag. Wir merken uns nur, ihm nach Gewitter viel Zeit zu geben, um einerseits zu trocknen – insbesondere dem Zustieg – und andererseits ausreichend sanften Regen im Anschluss zu haben, so dass die heruntergelaufene Erde abgewaschen werden kann. Steinbruch wird nicht mein Favorit, trotzdem würde ich dem Klettern am Sösestausee eine zweite Chance geben.

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